Der Feldhase

                                                                                                                  (April 2005)


„Viele Jäger sind des Hasen Tod“ sagt der Volksmund. Im Umkehrschluss könnte es dann ja heißen „Weniger Jäger mindern der Hasen Not“. Im Moment scheint es beinahe so, als ob der Volksmund hier nicht irrt. Hasen standen vor wenigen Jahren noch auf der Roten Liste, die Bestände nahmen beständig ab, in einigen Gegenden gab es schon überhaupt keine Hasen mehr und insgesamt sah es einfach miserabel aus um das Langohr. Um 90 % war der Hasenbestand seit den 60er Jahren geschrumpft. Nicht nur die Jagd, auch Umweltgifte, moderne Landwirtschaft und Beutegreifer hatten den Hasen an den Rand des Aussterbens gebracht. Dann verzichteten die Jäger auf die Jagd und die Hasenbestände erholten sich zusehends. Besonders im Bundesland NRW gibt es mittlerweile wieder viele Hasen und wenn man aufmerksam durch die Feldflur fährt, glaubt man so viele Hasen wie nie zuvor zu bemerken. Doch nur mit dem Jagdverzicht lässt sich diese Trendwende wohl kaum erklären. Zur Verbesserung der Situation bei den Hasen trugen auch zusätzliche Brachflächen und Grünstreifen bei, möglicherweise auch günstige Witterungsbedingungen in den letzten Jahren. Jedenfalls sieht man sie wieder, die Hasen!

 

Bis zu sieben Kilogramm Körpergewicht kann ein erwachsener alter Feldhase auf die Waage bringen – keine leichte Beute, auch nicht für einen Fuchs, der kaum schwerer ist. Überhaupt dürften weder Fuchs, noch Dachs, noch Marder einem alten Hasen gefährlich werden und schon mehrmals konnte ich beobachten wie ein Hase geradezu spielend einem ihn verfolgenden Schäferhund entkam. Hasen auf der Flucht stoppen plötzlich mitten im vollen Lauf und lassen ihren Verfolger näher kommen, um im letzten Moment zur Seite zu springen. Dieses Spiel wiederholen sie oft mehrfach, bis der Verfolger schließlich genervt aufgibt. Junge Hasen dagegen sind leichte Beute von vielerlei Tieren. Beobachten konnte ich wie Rohrweihen sie aus der Luft griffen, wie Rabenkrähen förmlich die Felder nach Junghasen absuchten und wie Katzen sie anschleppten. Fuchs, Marder, Uhu, Greifvögel, Reiher und Störche: sie alle machen Jagd auf Jungtiere; Verluste erleiden Junghasen auch durch Biozide, die zum Einsatz gebracht werden. Nicht nur Rehkitze, auch Junghasen werden zu Opfern von Mäh- und Erntemaschinen. Allerdings fliehen Junghasen, die älter als vier Wochen sind, vor derlei Gefahren. In regenreichen Sommern wird das Wachstum eines Hasenbestandes gedämpft, in niederschlagsarmen Jahren steigt der Bestand schnell an.  Bei hoher Schneedecke sterben sehr viele Hasen- möglicherweise aber auch, weil nun die Füchse, die keine Mäuse mehr fangen können, Jagd auf Hasen machen. Mindestens 100.000 Hasen werden auch alljährlich von Autos „erbeutet“, ein prozentual hoher Anteil des Hasenbestandes. Die sprichwörtlich große Fruchtbarkeit des Hasen, die ihm vermutlich auch die Rolle des Osterhasen eingebracht hat, verhindert aber letztendlich, dass Hasen trotz so viel drohender Gefahren und so vieler Verluste aus unserer Kulturlandschaft verschwinden.

Fast das ganze Jahr hindurch ist Fortpflanzungszeit in unserem milden Klima. Allerdings vermehren sich die Hasen vor allem zwischen März und August und am kinderreichsten ist die Zeit von März bis Mai. Sechs Mal kann eine Häsin im Jahr Junge kriegen und die Zahl der Jungen beträgt zwischen 1 und 5. Durchschnittlich werden von einer Häsin je Satz knapp über zwei Junge zur Welt gebracht. Und wenn auch theoretisch eine weit höhere Jungenzahl pro Jahr möglich wäre, bekommt jede Häsin wie Untersuchungen gezeigt haben im Schnitt je Jahr nur zwischen 6 und 9 Junge. 42 Tage trägt die Häsin die Jungen bis zur Geburt. Die Junghasen sind ausgesprochene Nestflüchter. Sie werden mit dichtem, warmen Fell, mit offenen Augen und wachen Sinnen geboren. Drei Tage nach ihrer Geburt schon verlassen die frischgeborenen Hasen ihre Geburtsstätte und liegen von jetzt an einzeln. In den ersten fünf Lebenswochen besucht sie ihre Mutter nur, sie säugt sie nur einmal am Tag und ist zu Beginn drei Minuten, später sogar nur noch anderthalb Minuten bei ihnen. In der Not können junge Hasen schon recht flott flüchten, doch schon nach wenigen hundert Metern sterben sie den Erschöpfungstod, wenn sie gehetzt werden. Deshalb muss im Lebensraum immer genug Deckung vorhanden sein. Überhaupt braucht ein gutes Hasenrevier genügend Deckung, abwechslungsreiches Futter und geeignete Aufzuchtstätten. Seit Jahren beobachte ich  schon, dass die Feldhasen unserer Umgebung unseren abwechslungsreichen, gut strukturierten Garten aufsuchen, der ihnen ein breites Nahrungsspektrum, hervorragende Versteckmöglichkeiten und gute Aufzuchtstätten garantiert. Bis auf zwei, drei Schritte lassen sie mich an sich heran und flüchten auch nur halbherzig, wenn ich mich ihnen so weit genähert habe; schon nach wenigen Metern stoppen sie ihren Lauf und bleiben ruhig stehen. Lernfähig scheinen mir Hasen zu sein- wie sonst ist es zu erklären, dass gerade während der bei uns häufigen Treibjagden die Hasen der Umgebung sich doch lieber ausschließlich im Garten aufhalten als in der freien Feldflur drum herum? Asyl gewähre ich ihnen aber gerne und jederzeit!