Der Turmfalke
(Oktober 2006)
In diesen Tagen fiel die Wahl zum Vogel des Jahres 2007 auf den Turmfalken (Falco tinnunculus), unserem - mit dem Mäusebussard gemeinsam- häufigsten Greifvogel. Auf rund 42.000 – 64.000 Paare wird der Gesamtbestand der Art bei uns in Deutschland geschätzt. In Mitteleuropa leben annäherungsweise 80.000- 130.000 Brutpaare, in ganz Europa gar eine halbe Millionen Turmfalken-Paare. Auch wenn der Turmfalkenbestand stark schwankend ist und nach Kältewintern und schlechten Mäusejahren unsere Landschaft oft von weniger Turmfalken als üblich bewohnt wird, sind die Turmfalken-Populationen über Jahrzehnte gesehen doch weitgehend stabil.
Zum Glück kann ich den kleinen Greifvogel noch täglich beobachten. Seit Jahren schon nistet ein Pärchen in einigen Fichten, die an unser Grundstück grenzen und zieht dort erfolgreich seine Jungen auf. Die Jungen sitzen dann eine ganze Zeit lang auf den Telefonleitungen der Umgebung und zeigen viel weniger Scheu als die Altvögel. Auch auf Fahrradtouren in der Umgebung sehe ich immer wieder Turmfalken, die ruhig auf ihren Ansitzen verharren, wenn sie sich unbeachtet wähnen. Meistens brüten sie in Mauernischen der umgebenden Bauernhöfe oder in Feldscheunen. Unsere Baumbrut erschien mir immer als ein ungewöhnlicher Nistplatz, doch verlassene Nester von Krähen und Elstern dienten dem Falken schon immer als Horst.
Zum Glück für den Turmfalken durchschießen Jäger heute nicht mehr wie früher Krähen- und Elsternester und so kann er auch in alten Krähennestern erfolgreich seine Jungen aufziehen. Einmal bezogen die Turmfalken auch unseren Schleiereulenkasten unterhalb des Giebels. Das aber gefiel den Schleiereulen gar nicht, die diesen Platz traditionell seit nunmehr fast 20 Jahren nutzen. Dass die Turmfalken frei in den Fichten brütend überhaupt Junge großziehen können, verwundert mich immer wieder. Zu aufdringlich sind die vielen Dohlen der Umgebung, die eigentlich immer auftauchen, sobald sich hier ein Turmfalke zeigt. Natürlich geht´s da unserem Steinkauz nicht besser, aber er hat wenigstens eine Höhle, in die er sich verziehen kann, wenn die schwarzen Gesellen allzu aufdringlich werden. Noch vor wenigen Tagen konnte ich beobachten, wie gleich vier Dohlen einem Turmfalken die eben geschlagene Feldmaus abspenstig machten. So haben es die kleinen Falken nicht leicht, auch wenn sie heute nicht mehr unmittelbar vom Menschen verfolgt werden und der negative Einfluss von DDT und anderen Bioziden längst nicht mehr so gravierend ist wie noch in den 70er- und 80er-Jahren.
Nachteilig wirkt sich das Umbrechen von Dauergrünland, das auch heute noch immer wieder zu beobachten ist, auf den Falken aus, der es dann immer schwerer hat, genug Beute zu finden. Hauptsächlich Mäuse fängt er, besonders Wühlmäuse. Spitzmäuse, Maulwürfe, wo vorhanden auch Eidechsen (wie auf einem der Fotos zu sehen), bereichern darüber hinaus seinen Speisezettel. Insekten, gern Maikäfer, erbeuten unsere Turmfalken oft in großer Zahl; Regenwürmer mögen sie auch. Mitunter versuchen sie sich auch an der Vogeljagd; mir klingen heute noch die Schreie eines unvorsichtigen Staren in den Ohren, den einer der Falken ergriffen hatte und nicht mehr losließ, den er aber nicht in der Lage war, schnell durch Biss oder Zugriff zu töten. Die Feldsperlinge und Meisen in unserem Garten reagieren aber keineswegs panisch beim Anblick eines Turmfalken ganz im Gegensatz zum Anblick eines Sperbers. Es soll aber immer wieder Turmfalken geben, die regelrecht auf den Fang von Kleinvögeln spezialisiert sind. Turmfalken sind bei uns ausgesprochene Kulturfolger. Sie suchen die Nähe des Menschen und nutzen die Möglichkeiten, die der Mensch ihnen bietet, brüten in dessen Gebäuden und nehmen auch gern bereitgestellte Nistkästen an. An vielen Kirchen umkreisen die Falken die Türme. Selbst in baum- und strauchlosen Gebieten beginnen Turmfalken zu brüten, wenn man ihnen Nistkästen zur Verfügung stellt; ein gutes Beispiel hierfür sind die Polderlandschaften der Niederlande. Auf 100 qkm können bis zu 90 Turmfalkenpaare vorkommen, Voraussetzung dafür ist aber ein ziemlich ideales Nahrungsangebot. Rüttelfalke wird der Turmfalke auch genannt, denn schließlich jagt er seine Beute aus dem Rüttelflug. Er steht dabei flügelschlagend eine Zeit lang in der Luft, um sich dann im Stoßflug auf die entdeckte Beute zu stürzen.
Die Art der Jagd ist ziemlich energieaufwendig, aber sie verspricht dem kleinen Greifvogel einfach mehr Erfolg als eine Jagd von Sitzwarten aus. So wird die Jagd aus dem Rüttelflug auch 5-6fach so häufig angewendet wie die Jagd vom Ansitz aus. Im Winter aber muss auch ein Turmfalke sparsam mit seiner Energie umgehen. Schon jetzt sehe ich die Falken immer häufiger von der Telefonleitung aus jagen als im Sommer. Viele Falken, nicht nur die Jungen, werden den Winter nicht überleben, wenn er hart und schneereich wird. Im Januar und Februar verhungern viele Turmfalken. Natürliche Verluste werden in den darauf folgenden Jahren aber immer wieder schnell ausgeglichen und so können wir uns darüber freuen, dass der Kulturfolger Turmfalke sich recht erfolgreich in unserer Landschaft behauptet.