Die Mistbiene

(August 2006)


Eine Unzahl von Insekten kann man besonders jetzt im August, aber auch noch bis in den Oktober hinein an vielen verschiedenen Blüten, bei mir im Garten aber vor allem an der Goldrute, beobachten. Etwa 12- 15 mm groß werden diese an Bienen erinnernden Fliegen. Kennzeichnend für sie sind zwei schwarzbraune, oben und unten miteinander verbundene Haarstriemen auf den Augen. Der Hinterleib dieser Fliegen ist schwarzbraun und auffällig sind auch zwei gelbbraune Flecken am Hinterleib, die sich beim Männchen weiter ausdehnen als beim Weibchen.

Überhaupt lassen sich die Geschlechter bei der Mistbiene, wie diese häufige Schwebfliege genannt wird, leicht auseinander halten, denn nicht nur in der Zeichnung, sondern auch am Augenabstand unterscheiden sie sich. Während die Augen bei den Männchen auf der Stirn aneinander stoßen, sind sie beim Weibchen durch die Stirn voneinander getrennt- typisch für Schwebfliegen im Allgemeinen, bei denen  die Facettenaugen des Männchen immer auf der Stirn zusammenstoßen oder sich zumindest mehr nähern als beim Weibchen. Bei Schwebfliegen muss man schon genau hinsehen können, wenn man ihre Merkmale erkennen und sie voneinander unterscheiden will. Nicht immer ist es mit genauem Hinsehen getan, zu ähnlich sehen sich nämlich viele der über 400 bei uns in Deutschland verbreiteten Arten. Manche muss man fangen und unter der Lupe oder einem Mikroskop betrachten, um zu einer sicheren Artdiagnose kommen zu können.

Bei der Mistbiene ist das normalerweise nicht nötig, denn zum einen ist die Art recht groß und alleine dadurch schon gut erkennbar, zum anderen sind die angesprochenen Haarstriemen, die durch die Augen verlaufen, recht sichere Kennzeichen. Scheinbienen-Keilfleckschwebfliegen werden die Mistbienen auch genannt- die Ähnlichkeit der Art mit einer Biene und die oben bereits erwähnten keilförmigen Flecken auf den Hinterleib waren bei diesem Namen ausschlaggebend. Keilfleckschwebfliegen gibt es viele verschiedene, bei genauem Hinsehen und nach Erwachen des ersten Interesses für diese Tiere wird man im eigenen Garten noch weitere Arten entdecken können. Der Mistbiene –Eristalis tenax mit wissenschaftlichem Namen genannt- ist Eristalis pertinax, die Gemeine Keilfleckschwebfliege, besonders ähnlich. Auch sie ist häufig und man wird sie bei Suche finden; sie lässt sich aber durch die fehlenden Augenbänder und dadurch, dass sie gefiederte Fühlerborsten hat, von der Mistbiene unterscheiden. Die Fühlerborsten der Mistbienen dagegen sind nicht  gefiedert. Spätestens jetzt merkt jeder: Bei Schwebfliegen muss man auf geringste Details achten, wenn man sie auseinander halten will. Doch dazu haben wohl die wenigsten Menschen Lust und so  verwundert es nicht, dass Schwebfliegen sehr lange keine deutschen Artnamen hatten und auch heute noch sind die in der Spezialliteratur gebräuchlichen deutschen Artnamen oft von Autor zu Autor unterschiedlich. Unsere Art aber, Eristalis tenax, die Mistbiene hat ihren deutschen Namen schon lange – länger als alle anderen Schwebfliegen. Man hielt sie fälschlicherweise lange für eine nützliche, Honig erzeugende  Biene und richtigerweise erkannte man, dass sie in einer Beziehung zum Mist stand.

 

Die Larven der Mistbienen leben nämlich im Mist oder an anderen für uns so unappetitlichen Orten, in Kot, in sich zersetzenden Pflanzen, in Jauche- und in Sickergruben, auch an Kadavern und Aas und in nährstoffreichem Wasser. Die so genannten Rattenschwanzlarven haben ein bis zu vier cm langes Atemrohr, filtern schmutziges Wasser und tragen so auch zur Klärung von Abwässern bei. Der im wissenschaftlichen Namen enthaltene lateinische Begriff tenax bedeutet „zäh“ und deutet darauf hin, dass die Larve extrem zählebig ist und an Orten vorkommt, die extrem lebendfeindlich sind. Entsprechend ihrer Lebensweise sind sowohl Larven als auch Schwebfliegen vor allem in ländlichen Gegenden an Misthaufen, an Dung, in Gärten und in Ställen zu finden. Auch wenn die Mistbiene ein eher unauffälliges Landleben führt, gelangte sie doch schon früh zu dichterischen Ehren. Ovid, ein römischer Poet, der im Jahre 43 vor Christus geboren wurde und wahrscheinlich im Jahre 17 starb, schreibt in seinen Metamorphosen XV:

“Decke geschlachtete Stiere- du magst sie erlesen- mit Erde;

Blütensammelnde Bienen entstehen aus dem faulenden Fleische

Allenthalben- man hat es erprobt- nach dem Brauch der Erzeuger

Sind in den Feldern sie tätig und fleißig und schaffen in Hoffnung.

Wenn man ein Schlachtroß begräbt, erfolgt der Hornisse Entstehung.

 

Klar, dass Ovid nicht die Bienen, sondern die Mistbienen gemeint haben muss und hier wie viele seiner Zeitgenossen einem Irrtum unterlag. Fast alle Autoren der Antike verbreiteten nämlich die Kunde von der Entstehung der Bienen aus verwesenden Kadavern und müssen dabei wohl auf unsere Scheinbienen- Keilfleckschwebfliegen hereingefallen sein.